Das Amtsgericht München sichert die Betreuung der Tochter durch den Vater in der Corona-Krise per einstweiliger Anordnung. Die Mutter wollte sie stattdessen lieber in die Kita geben. Ein zu hohes Risiko, entschied das Gericht und ordnete an, dass das Kind während der Woche beim Vater lebt welcher vorher bereits ein sogenanntes "großzügiges" Umgangsrecht hatte (1 Tag in der Woche plus alle 14 Tage ein Wochenende). Die öffentliche Darstellung des Falls bietet aber Grund, die Sicht auf getrennte Eltern zu hinterfragen.
In einer aktuellen Entscheidung entschied das Amtsgericht München, dass die gemeinsame Tochter der getrenntlebenden Eltern unter der Woche beim Vater, der im Homeoffice arbeitet, betreut werden soll und nicht, wie von der Mutter gewünscht, in der Notbetreuung in der Kita. Das Infektionsrisiko dort sei im Vergleich zum Vater zu groß, entschied das Gericht.
„Es ist schon traurig genug, dass ein Gericht über eine solche Selbstverständlichkeit entscheiden muss“, meint Markus Witt, Mitglied im Bundesvorstand des Väteraufbruch für Kinder e.V. Die Notbetreuung sei nur für Eltern gedacht, die keine andere Möglichkeit hätten, ihre Kinder zu betreuen. Nicht aber, um Elternstreit oder gewollte Kontaktreduzierung zum anderen Elternteil zu betreiben. So würden Eltern, die tatsächlich dringend auf die Not-Betreuungsplätze angewiesen wären, diese entzogen. Es sollte selbstverständlich sein, dass die angebotene Betreuung durch einen Elternteil immer Vorrang vor einer Notbetreuung durch Dritte haben sollte. „Dass die Mutter sich öffentlich dann noch als „alleinerziehend“ darstellen lässt, obwohl der Vater offensichtlich umfangreich in die Erziehung eingebunden ist zeigt, dass wir in Deutschland einen grundsätzlichen Denkwandel, hin zum „gemeinsam erziehend“ brauchen“, ergänzt Witt unter Bezug auf die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung vom 05.05.2020. Das eigentliche Problem wird in dem Bericht völlig ignoriert.
Die Entscheidung des Amtsgerichts München sollte daher ein Weckruf sein – zum einen, im Sinne der Kinder immer BEIDE Eltern im Blick zu haben und zum anderen auch zu hinterfragen, warum ein Elternteil lieber auf Fremdbetreuung als auf den anderen Elternteil zugreift. Jeder Elternteil habe nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch gegenüber dem anderen Elternteil eine, viel zu selten beachtete, Loyalitätspflicht (§ 1684 BGB). Kinder leiden, wenn ein Elternteil dem anderen kein Vertrauen entgegenbringt oder diesen sogar abwertet. Daher kann die gerichtliche Entscheidung eigentlich nur der erste Schritt sein. Jetzt müsse geprüft werden, ob die Mutter auch dauerhaft in der Lage ist, der Tochter einen guten Kontakt zu beiden Eltern zu erhalten, ihrer Loyalitätspflicht nachzukommen und das Kind nicht zu belasten. Denn, was häufig übersehen wird, die Ausübung des Sorgerechts ist vor allem eine Sorgepflicht – gegenüber dem Kind und auch dem anderen Elternteil.
„Gerade in solch schwierigen Krisenzeiten zeigt sich der Mehrwert gemeinsamer Elternschaft – dem Kind stehen zwei liebevolle Eltern zur Verfügung. Dies wird nur viel zu selten beachtet, solange der zweite Elternteil nicht, auch sprachlich, im Bewusstsein der Menschen sichtbarer wird“, ergänzt Witt und hofft, dass auch die Medien in ihren Berichterstattungen häufiger eine Betrachtung aus der Perspektiver beider Eltern und, viel wichtiger, auch der Perspektive der Kinder, ermöglichen.
Az. nicht vorliegend.