Pressemitteilung des Väteraufbruch für Kinder e.V. (Bundesverein):
Zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 743/21 vom 17.02.2021
Zum Sachverhalt
Die Eltern dreier Söhne waren getrennt. Der Vater hatte zwar sporadisch
Kontakt zu seinen Kindern. Er lehnte es aber ab, alle drei Kinder auch
gemeinsam zu betreuen oder aber mehr Zeiten zu übernehmen, obwohl die Kinder
sich dies wünschten. Er lebe in beengten räumlichen Verhältnissen, sei
gesundheitlich belastet und seine neue Ehefrau empfinde die Streitereien der
Kinder als Zumutung.
Die Mutter beantragte die gerichtliche Regelung des Umgangs. Das Jugendamt
hatte dem Vater Unterstützung bei der Durchführung angeboten, sollte er dies
wünschen. Es gab einen gerichtlichen Beschluss und der Vater hat jeweils mit
allen drei Kindern alle 14 Tage von Samstagvormittag bis Sonntagnachmittag,
die erste Hälfte der Schulferien sowie am ersten Weihnachtsfeiertag Umgang
mit seinen Kindern.
Hiergegen ging der Vater mit einer Verfassungsbeschwerde vor, weil er sich
in seinen Persönlichkeitsrechten eingeschränkt sah. Die
Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, diese
Ablehnung jedoch ausführlich begründet. Auch wenn eine Umgangsregelung
zutreffend die Persönlichkeitsrechte eines Elternteils einschränke, so sei
dies aus der elterlichen Verpflichtung hinzunehmen.
Stellungnahme:
Mit welchem Recht sollte ein Elternteil allein entscheiden, in welchem
Umfang der andere seiner Elternverantwortung nachzukommen hat?
In diesem Fall war es der Vater, der entscheiden wollte, dass die Mutter den
weit überwiegenden Teil der Betreuung der gemeinsamen Kinder übernimmt. Er
wollte für sich in Anspruch nehmen, sich scheinbar nach Belieben ab und an
um jeweils eines seiner drei Kinder zu kümmern, um sich durch den Umgang
nicht zu sehr zu belasten.
Die Belastung, die er selbst durch den Umgang für sich reklamiert, erlebt
die Mutter durch die überwiegende Betreuung der Kinder noch in weitaus
höherem Maße, was dem Vater so nicht bewusst zu sein scheint. Darf die
Mutter für sich das Recht in Anspruch nehmen, auch mal eine Auszeit und ein
freies Wochenende zu haben? Ja, denn Elternschaft ist kein Wunschkonzert,
sondern eine gemeinsame Verantwortung, die nicht mit der Trennung der Eltern
endet. Eine Verantwortung, die beide Eltern gleichermaßen und im gleichen
Umfang zu erfüllen haben, solange sie sich nicht einvernehmlich auf eine
andere Regelung verständigen. Denn weder Verfassung noch Gesetz sehen ein
Vorrecht für ein Geschlecht oder einen Elternteil in der Betreuung der
Kinder vor.
Auch der Einwand des Vaters, dass seine neue Ehefrau die Streitereien der
Kinder als Zumutung empfinde, verfängt nicht. Diese hat einen Partner
gewählt, welcher Vater von drei Kindern ist. „Ich heirate eine Familie“ war
nicht nur eine beliebte Fernsehserie, sondern ist auch Realität. Wenn man
die Beziehung zu jemandem eingeht, der bereits Kinder aus früheren
Beziehungen hat, bleibt dieser mit seinen Kindern verbunden und hat
Verantwortung für diese. Eine Verantwortung, deren Erfüllung im Zweifelsfall
auch gerichtlich eingefordert und mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden
kann.
Der Väteraufbruch für Kinder e.V. begrüßt die Entscheidung der
Instanzengerichte und des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich. „Wir
brauchen ein stärkeres Bewusstsein dafür, dass Elternschaft nicht nur Recht,
sondern auch Pflicht ist“, erklärt Markus Witt, Mitglied im Bundesvorstand
des Vereins. Kein Elternteil dürfe eigenmächtig als „alleinerziehend“
zurückgelassen werden, ebenso, wie kein Elternteil aus der gemeinsamen
Verantwortung gedrängt werden dürfe.
„Was wir in Deutschland dringend brauchen ist eine Diskussion über
Rollenvorstellungen in der Familie, die Verantwortung von Vätern auch in der
Familienarbeit und die Bereitschaft von Müttern, diese auch zuzulassen“,
meint Witt. Die „deutsche Sicht“ auf familiäre Aufgabenverteilung steht
nicht nur der Gleichberechtigung von Müttern und Vätern im Weg, sie nimmt
Kindern insbesondere nach einer Trennung häufig auch die Möglichkeit, von
den Ressourcen beider Eltern zu profitieren. Dringend notwendige, auch
politische, Weichenstellungen hin zu einer echten, gemeinsamen Elternschaft
werden seit Jahren verhindert. Hierzu zählen beispielsweise ein Leitbild der
Doppelresidenz (des Wechselmodells) nach einer Trennung oder eine
paritätische Aufteilung der Elterngeldmonate zwischen Mutter und Vater.
Und noch etwas anderes muss, wie der vorliegende Fall zeigt, ins Bewusstsein
rücken: Seiner Elternverantwortung wird man nach einer Trennung nicht allein
durch Unterhaltszahlung gerecht, sondern man hat auch eine Verpflichtung zur
Übernahme der Betreuung seiner Kinder. Es wäre zu wünschen, dass dies nicht
nur juristisch, sondern auch politisch stärker berücksichtigt wird.